Lichtkunst: Beleuchtung als Skulpturales Medium

Von Nana Japaridze
Licht spielt seit jeher eine zentrale Rolle in der Kunstgeschichte. Von den Hell-Dunkel-Kontrasten der Renaissance bis hin zu den atmosphärischen Lichtstimmungen der Impressionisten – Künstlerinnen und Künstler haben stets versucht, Licht darzustellen und zu kontrollieren. Doch erst mit dem Aufkommen der elektrischen Beleuchtung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Licht selbst zu einem eigenständigen künstlerischen Medium. Damit entstand ein neues Genre: die Lichtkunst.
Die Entwicklung von Licht als künstlerischem Medium
Der Einsatz künstlichen Lichts in der Kunst bedeutete einen radikalen Bruch mit traditionellen Ausdrucksformen. Einer der ersten Pioniere war László Moholy-Nagy, eine Schlüsselfigur des Bauhauses. Sein Werk Light-Space Modulator (1922–1930) ist ein Meilenstein der Lichtkunst, das kinetische Elemente mit projiziertem Licht kombiniert. So entstehen ständig wechselnde Muster, Schatten und Reflexionen.
In den 1960er- und 1970er-Jahren entwickelte sich die Light and Space-Bewegung, vor allem im Süden Kaliforniens. Künstler wie James Turrell und Robert Irwin widmeten sich der Wahrnehmungsforschung und schufen immersive Umgebungen, in denen Licht so eingesetzt wurde, dass es die räumliche Erfahrung der Betrachtenden veränderte. Ihre Arbeiten stellten die Flüchtigkeit des Lichts und die Rolle des Publikums in den Mittelpunkt.
Zeitgenössische Perspektiven der Lichtkunst
Aufbauend auf diesen frühen Experimenten erforschen auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeiten von Licht als skulpturalem Medium weiter. Ihre Werke beleuchten nicht nur Räume, sondern schaffen multisensorische Erlebnisse, die unsere Wahrnehmung von Form und Raum hinterfragen.
So verwendet Joseph Kosuth in Wittgenstein’s Colour (1989) leuchtend rotes Neonlicht, um das Wort „(Red)“ in Klammern darzustellen. Die Arbeit fordert zur Reflexion über das Verhältnis von Sprache und Wahrnehmung auf – in Anlehnung an die Überlegungen des Philosophen Ludwig Wittgenstein zum Thema Farbe und Bedeutung.
Horacio García Rossi, Mitbegründer der Groupe de Recherche d’Art Visuel (GRAV), schuf mit Boîte à lumières (2012) ein motorisiertes Lichtexperiment. In einer geschlossenen Box werden bewegte, farbige Lichter projiziert, die ein dynamisches Spiel aus Licht und Schatten erzeugen. Rossi erforschte kontinuierlich das kinetische Potenzial von Licht und bezog das Publikum aktiv in seine Arbeiten ein.
Miguel Chevalier verbindet in Mini Voxels Light Red (2015) digitale Technologien mit physischer Skulptur. Die Arbeit besteht aus einem würfelförmigen Objekt mit integrierten LED-Animationen, die in kräftigen Rot- und Pinktönen leuchten. Chevalier zählt zu den Vorreitern der digitalen Kunst und beschäftigt sich häufig mit der Schnittstelle zwischen Natur und Technologie.
Minimalismus und Geometrie prägen Linear Sculpture (1982) von Geneviève Claisse. Die Leuchtskulptur besteht aus einer durchgehenden Neonline auf einer schwarzen Plexiglasplatte – ein Ausdruck von Schlichtheit, Klarheit und formaler Reinheit.
In der Zusammenarbeit mit Designer Toshiyuki Kita schuf Keith Haring 1988 eine Tischlampe, die seine berühmte tanzende Figur auf Glas zeigt, rückseitig bedruckt und auf einem Sockel aus Stein montiert. Dieses Objekt vereint funktionales Design mit Harings ikonischer Bildsprache, die stark von Street Art und sozialem Engagement geprägt ist.
Jenny Holzer nutzt in Olympian Sign (1986) LED-Technik, um Texte aus ihren Serien Truisms, The Living Series und The Survival Series zu präsentieren. Begriffe wie „BIOLOGICAL“, „HUMANISM“ oder „LOVING ANIMALS“ laufen in leuchtendem Rot über die Anzeige. Holzer verwandelt öffentliche Räume in Orte der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ethischen Fragen.
Mit Dancing Figure 2 (2023) zeigt Julian Opie eine stilisierte, tanzende Figur als kontinuierliche Computergrafik auf einem LED-Bildschirm, eingefasst in einen Rahmen aus Walnussholz. Bewegung und Rhythmus werden auf reduzierte, aber eindrucksvolle Weise visualisiert. Opie verbindet traditionelles Handwerk mit moderner Digitaltechnik und lotet die Grenzen zwischen klassischem Porträt und Medienkunst aus.
Iván Navarro verwandelt in There is Hole in the Spectacle (2006) eine Aluminiumtür mithilfe von Glühbirnen und Spiegeln in eine optische Illusion mit scheinbar unendlicher Tiefe. Das Werk stellt Fragen zur Wahrnehmung von Raum und Realität und reflektiert Navarros Auseinandersetzung mit Machtstrukturen und sozialer Architektur.
Die Bedeutung und Wirkung von Lichtkunst
Lichtkunst befindet sich an der Schnittstelle von Technologie, Wahrnehmung und Umgebung. Indem sie Licht gleichzeitig als Medium und Botschaft einsetzt, können Künstler Räume transformieren, Emotionen wecken und komplexe Ideen auf neuartige Weise kommunizieren. Die immaterielle, flüchtige Qualität von Licht erlaubt eine neue Definition von Skulptur, in der Grenzen verschwimmen und Betrachter aktiv einbezogen werden.
Zudem hat sich die Lichtkunst längst von Museen in den öffentlichen Raum verlagert. Großveranstaltungen wie Vivid Sydney oder das Amsterdam Light Festival zeigen, wie Lichtinstallationen urbane Landschaften verwandeln, kollektive Erlebnisse schaffen und Kunst für ein breites Publikum zugänglich machen.
Die Entwicklung von Licht als skulpturalem Medium spiegelt eine übergreifende Tendenz in der zeitgenössischen Kunst wider: weg von statischen Objekten, hin zu immersiven, sinnlichen und interaktiven Erlebnissen. Lichtkunst überschreitet dabei nicht nur technologische, sondern auch konzeptuelle Grenzen – und lädt uns ein, die Welt im wahrsten Sinne des Wortes in einem neuen Licht zu sehen.
Von Nana Japaridze
Licht spielt seit jeher eine zentrale Rolle in der Kunstgeschichte. Von den Hell-Dunkel-Kontrasten der Renaissance bis hin zu den atmosphärischen Lichtstimmungen der Impressionisten – Künstlerinnen und Künstler haben stets versucht, Licht darzustellen und zu kontrollieren. Doch erst mit dem Aufkommen der elektrischen Beleuchtung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Licht selbst zu einem eigenständigen künstlerischen Medium. Damit entstand ein neues Genre: die Lichtkunst.
Die Entwicklung von Licht als künstlerischem Medium
Der Einsatz künstlichen Lichts in der Kunst bedeutete einen radikalen Bruch mit traditionellen Ausdrucksformen. Einer der ersten Pioniere war László Moholy-Nagy, eine Schlüsselfigur des Bauhauses. Sein Werk Light-Space Modulator (1922–1930) ist ein Meilenstein der Lichtkunst, das kinetische Elemente mit projiziertem Licht kombiniert. So entstehen ständig wechselnde Muster, Schatten und Reflexionen.
In den 1960er- und 1970er-Jahren entwickelte sich die Light and Space-Bewegung, vor allem im Süden Kaliforniens. Künstler wie James Turrell und Robert Irwin widmeten sich der Wahrnehmungsforschung und schufen immersive Umgebungen, in denen Licht so eingesetzt wurde, dass es die räumliche Erfahrung der Betrachtenden veränderte. Ihre Arbeiten stellten die Flüchtigkeit des Lichts und die Rolle des Publikums in den Mittelpunkt.
Zeitgenössische Perspektiven der Lichtkunst
Aufbauend auf diesen frühen Experimenten erforschen auch zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeiten von Licht als skulpturalem Medium weiter. Ihre Werke beleuchten nicht nur Räume, sondern schaffen multisensorische Erlebnisse, die unsere Wahrnehmung von Form und Raum hinterfragen.
So verwendet Joseph Kosuth in Wittgenstein’s Colour (1989) leuchtend rotes Neonlicht, um das Wort „(Red)“ in Klammern darzustellen. Die Arbeit fordert zur Reflexion über das Verhältnis von Sprache und Wahrnehmung auf – in Anlehnung an die Überlegungen des Philosophen Ludwig Wittgenstein zum Thema Farbe und Bedeutung.
Horacio García Rossi, Mitbegründer der Groupe de Recherche d’Art Visuel (GRAV), schuf mit Boîte à lumières (2012) ein motorisiertes Lichtexperiment. In einer geschlossenen Box werden bewegte, farbige Lichter projiziert, die ein dynamisches Spiel aus Licht und Schatten erzeugen. Rossi erforschte kontinuierlich das kinetische Potenzial von Licht und bezog das Publikum aktiv in seine Arbeiten ein.
Miguel Chevalier verbindet in Mini Voxels Light Red (2015) digitale Technologien mit physischer Skulptur. Die Arbeit besteht aus einem würfelförmigen Objekt mit integrierten LED-Animationen, die in kräftigen Rot- und Pinktönen leuchten. Chevalier zählt zu den Vorreitern der digitalen Kunst und beschäftigt sich häufig mit der Schnittstelle zwischen Natur und Technologie.
Minimalismus und Geometrie prägen Linear Sculpture (1982) von Geneviève Claisse. Die Leuchtskulptur besteht aus einer durchgehenden Neonline auf einer schwarzen Plexiglasplatte – ein Ausdruck von Schlichtheit, Klarheit und formaler Reinheit.
In der Zusammenarbeit mit Designer Toshiyuki Kita schuf Keith Haring 1988 eine Tischlampe, die seine berühmte tanzende Figur auf Glas zeigt, rückseitig bedruckt und auf einem Sockel aus Stein montiert. Dieses Objekt vereint funktionales Design mit Harings ikonischer Bildsprache, die stark von Street Art und sozialem Engagement geprägt ist.
Jenny Holzer nutzt in Olympian Sign (1986) LED-Technik, um Texte aus ihren Serien Truisms, The Living Series und The Survival Series zu präsentieren. Begriffe wie „BIOLOGICAL“, „HUMANISM“ oder „LOVING ANIMALS“ laufen in leuchtendem Rot über die Anzeige. Holzer verwandelt öffentliche Räume in Orte der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und ethischen Fragen.
Mit Dancing Figure 2 (2023) zeigt Julian Opie eine stilisierte, tanzende Figur als kontinuierliche Computergrafik auf einem LED-Bildschirm, eingefasst in einen Rahmen aus Walnussholz. Bewegung und Rhythmus werden auf reduzierte, aber eindrucksvolle Weise visualisiert. Opie verbindet traditionelles Handwerk mit moderner Digitaltechnik und lotet die Grenzen zwischen klassischem Porträt und Medienkunst aus.
Iván Navarro verwandelt in There is Hole in the Spectacle (2006) eine Aluminiumtür mithilfe von Glühbirnen und Spiegeln in eine optische Illusion mit scheinbar unendlicher Tiefe. Das Werk stellt Fragen zur Wahrnehmung von Raum und Realität und reflektiert Navarros Auseinandersetzung mit Machtstrukturen und sozialer Architektur.
Die Bedeutung und Wirkung von Lichtkunst
Lichtkunst befindet sich an der Schnittstelle von Technologie, Wahrnehmung und Umgebung. Indem sie Licht gleichzeitig als Medium und Botschaft einsetzt, können Künstler Räume transformieren, Emotionen wecken und komplexe Ideen auf neuartige Weise kommunizieren. Die immaterielle, flüchtige Qualität von Licht erlaubt eine neue Definition von Skulptur, in der Grenzen verschwimmen und Betrachter aktiv einbezogen werden.
Zudem hat sich die Lichtkunst längst von Museen in den öffentlichen Raum verlagert. Großveranstaltungen wie Vivid Sydney oder das Amsterdam Light Festival zeigen, wie Lichtinstallationen urbane Landschaften verwandeln, kollektive Erlebnisse schaffen und Kunst für ein breites Publikum zugänglich machen.
Die Entwicklung von Licht als skulpturalem Medium spiegelt eine übergreifende Tendenz in der zeitgenössischen Kunst wider: weg von statischen Objekten, hin zu immersiven, sinnlichen und interaktiven Erlebnissen. Lichtkunst überschreitet dabei nicht nur technologische, sondern auch konzeptuelle Grenzen – und lädt uns ein, die Welt im wahrsten Sinne des Wortes in einem neuen Licht zu sehen.